„Das Virus wirkt biopolitisch, dringt in unsere Psyche ein, kappt die Verbindungen zwischen Menschen, es fühlt sich an, als wären wir seine Geiseln“, sagt die italienische Philosophin Donatella Di Cesare, und fährt fort: „Ich weiß nicht, wie lange wir das durchhalten, so zu leben, kontrolliert in diesem technototalitären Zustand. Aber das wird Spuren hinterlassen.“
Das klingt überaus beunruhigend, denn Italien steckt mitten im Corona-Prozess, während wir „erst am Anfang“ sind. Da fragt man sich zurecht, wie man nicht nur mit der individuellen Angst fertigwerden soll, sondern auch mit den düsteren Prognosen, die solche elementaren Verwerfungen ankündigen. „Niemand weiß, was nach der Krise sein wird. Wir bereiten uns auf eine wirtschaftliche Rezession vor, vielleicht eine, die gewalttätige Konflikte hervorbringt. Protestbewegungen gegen die weiter wachsende Ungleichheit“, führt sie weiter aus. „Ich weiß nicht, wie weit wir politisch und kulturell auf das, was da kommen wird, vorbereitet sind. Wird es eine neue gesellschaftliche Genügsamkeit geben oder werden die kapitalistischen Egoismen unseres Ökosystems weiterhin siegen? Das ist doch die große Frage in diesen Tagen. Darüber sollten jetzt alle nachdenken.“ (https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/italien-coronavirus-krise-konsequenzen-donatella-di-cesare/seite-3)
Der Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth denkt in eine andere, etwas hellere Richtung, und empfiehlt, dass man zwischen dem „individuellen Risiko, also der Ansteckungs- und Todeswahrscheinlichkeit, und der nackten Angst, die ein sehr starkes Gefühl ist … der Besorgnis, einer Mischung aus Furcht und Fürsorge; und dem Verantwortungsgefühl, das jeder Einzelne für das Wohl der Gemeinschaft entwickeln sollte“, unterscheiden muss. Vielleicht ist es jetzt, wo wir erst am Beginn stehen, wirkungsvoll, „an der kollektiven psychischen Bewältigung der Krise“ teilzunehmen. „Das ist auch eine Hilfe, um mit der eigenen Angst besser umzugehen.“ So kann man Angst auch in Fürsorge verwandeln, erklärt er – dann wird sie nicht übermächtig. (https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2020-03/isolation-coronavirus-angst-trauma-psychoanalyse-hans-juergen-wirth/komplettansicht)
In Hamburg läuten jetzt immer mittags alle Kirchenglocken. Auch, wenn man nicht gläubig ist: Es ist ein Klang, der zum Innehalten in all dem Wahnsinn einlädt. Danach kann man bei aller Ernsthaftigkeit ein leises „Om“ sagen und sich ein klammheimliches Grinsen beim Schauen dieses einminütigen Videos gönnen: https://www.youtube.com/watch?v=Qel1m1Ml9xQ.