Sprach- und Stilkritik

Corinna schaut hin und hört zu.


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Kassandras Corona – italienische Sirene, psychoanalytische Glocke oder Om

„Das Virus wirkt biopolitisch, dringt in unsere Psyche ein, kappt die Verbindungen zwischen Menschen, es fühlt sich an, als wären wir seine Geiseln“, sagt die italienische Philosophin Donatella Di Cesare, und fährt fort: „Ich weiß nicht, wie lange wir das durchhalten, so zu leben, kontrolliert in diesem technototalitären Zustand. Aber das wird Spuren hinterlassen.“

Das klingt überaus beunruhigend, denn Italien steckt mitten im Corona-Prozess, während wir „erst am Anfang“ sind. Da fragt man sich zurecht, wie man nicht nur mit der individuellen Angst fertigwerden soll, sondern auch mit den düsteren Prognosen, die solche elementaren Verwerfungen ankündigen. „Niemand weiß, was nach der Krise sein wird. Wir bereiten uns auf eine wirtschaftliche Rezession vor, vielleicht eine, die gewalttätige Konflikte hervorbringt. Protestbewegungen gegen die weiter wachsende Ungleichheit“, führt sie weiter aus. „Ich weiß nicht, wie weit wir politisch und kulturell auf das, was da kommen wird, vorbereitet sind. Wird es eine neue gesellschaftliche Genügsamkeit geben oder werden die kapitalistischen Egoismen unseres Ökosystems weiterhin siegen? Das ist doch die große Frage in diesen Tagen. Darüber sollten jetzt alle nachdenken.“ (https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/italien-coronavirus-krise-konsequenzen-donatella-di-cesare/seite-3)

Der Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth denkt in eine andere, etwas hellere Richtung, und empfiehlt, dass man zwischen dem „individuellen Risiko, also der Ansteckungs- und Todeswahrscheinlichkeit, und der nackten Angst, die ein sehr starkes Gefühl ist … der Besorgnis, einer Mischung aus Furcht und Fürsorge; und dem Verantwortungsgefühl, das jeder Einzelne für das Wohl der Gemeinschaft entwickeln sollte“, unterscheiden muss. Vielleicht ist es jetzt, wo wir erst am Beginn stehen, wirkungsvoll, „an der kollektiven psychischen Bewältigung der Krise“ teilzunehmen. „Das ist auch eine Hilfe, um mit der eigenen Angst besser umzugehen.“ So kann man Angst auch in Fürsorge verwandeln, erklärt er – dann wird sie nicht übermächtig. (https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2020-03/isolation-coronavirus-angst-trauma-psychoanalyse-hans-juergen-wirth/komplettansicht)

In Hamburg läuten jetzt immer mittags alle Kirchenglocken. Auch, wenn man nicht gläubig ist: Es ist ein Klang, der zum Innehalten in all dem Wahnsinn einlädt. Danach kann man bei aller Ernsthaftigkeit ein leises „Om“ sagen und sich ein klammheimliches Grinsen beim Schauen dieses einminütigen Videos gönnen: https://www.youtube.com/watch?v=Qel1m1Ml9xQ.


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Kassandras Corona – das Virus als Metapher, der Scherz in der Videoschalte und das Kochen in der Krise

Susan Sontag lag daran, die im Zusammenhang mit Aids geläufigen militärischen Metaphern zum Verschwinden zu bringen, denn sie tragen „nachhaltig zur Exkommunikation (…) der Kranken bei“, schrieb sie. (https://de.wikipedia.org/wiki/Krankheit_als_Metapher) Über Krankheiten wird oft in Termini des Militärischen gesprochen, konstatierte sie 1988, als das Aidsvirus sich unserer Welt bemächtigte: Es ist auch heute die Rede von Invasion, Verteidigung, Widerstand und Abwehr, von Attacke, Schädigung und Zerstörung; die Krankheit selbst wird zu einer Metapher, sie steht für etwas, das „heimtückisch“ in den Körper wie in die Gesellschaft „eindringt“ und das „bekämpft“ werden muss. „Kriegsmetaphern bewirken die Stigmatisierung bestimmter Krankheiten, damit aber die Stigmatisierung der an ihnen Erkrankten.“ Sie laden Krankheiten moralisch auf und individuelle „Schuld“ beim Erkrankten ab, konstruieren einen Dualismus zwischen „uns“ und „jenen“. Das lässt sich auf die Corona-Krise übertragen – auch sie ist mittlerweile selbst zur Metaphernquelle geworden. So spricht auch heute alle Welt von Viren, die den Rechner infiziert haben, so bezieht „das neueste, alles verwandelnde Element der modernen Welt, der Computer, seine Metaphorik von der neuesten, alles verwandelnden Krankheit“, konstatierte sie „hellsichtig“, so Andrea Bronstering. (https://www.kvberlin.de/40presse/30kvblatt/2015/12/90_kunst/kvbs.pdf (2015).)

Sontags Kampf gegen die Krankheitsmetaphorik war nichts anderes als einer gegen den moralischen Druck, der beim Reden und Schreiben über Gesundheit oder Krankheit auf vielfältige Weise ausgeübt wird, so schreibt Thomas Anz. Man muss ja nur ein paar Nachrichten-, Boulevard- und Feuilleton-Seiten anklicken, um das zu bestätigen. „Es ist ein Kampf zur Befreiung von Straf-, Schuld- und Minderwertigkeitsfantasien, die durch populäre und pseudowissenschaftliche Krankheitsbilder oft erzeugt werden und den Kranken belasten. Die Einschätzung der Krankheit als „Prüfung des moralischen Charakters“, die „Vorstellung, dass eine Krankheit eine besonders geeignete und gerechte Bestrafung sein könne“, die Ausdeutung von Krankheiten „als Metaphern für das Böse“: Solche „albernen und gefährlichen Ansichten bringen es zuwege, dass die Last der Krankheit dem Patienten aufgebürdet wird.“

Wenn mich in den sozialen Medien also vermehrt der Zorn vieler Wut-Kommentare anspringt wie zum Beispiel in diesem: „Warum sind denn ganzen reichen Skifahrer Ende Februar noch in den Urlaub gefahren, wo doch schon klar war, dass das Virus grassiert? Und jetzt haben sie es uns eingeschleppt, und die, die zu Hause geblieben sind, die Armen und Alten und Pflegekräfte, die sich nie so was leisten können, die werden jetzt krank“, dann geht es genau darum: Jemand muss schuldig sein, sonst kann man es nicht ertragen.

Aber nein, niemand ist schuld. Es passiert uns, es überwältigt uns, das ist etwas ganz anderes.

„Gerade auch die „spezifisch moderne Vorliebe für psychologische Erklärungen“ sei in hohem Maße mit belastenden Schuldzuweisungen assoziiert: „Psychologische Krankheitstheorien sind machtvolle Instrumente, um die Schande auf die Kranken abzuwälzen. Patienten, die darüber belehrt werden, dass sie ihre Krankheit unwissentlich selbst verursacht haben, lässt man zugleich fühlen, dass sie sie verdient haben.“ Es sind besonders solche Krankheiten, deren Entstehung noch wenig geklärt und deren gezielte Heilung ungesichert ist, die zum Projektionsfeld und Medium kulturell geprägter Wünsche, Ängste oder Aggressionen werden. Ein kluger Mann, der Herr Anz. (https://literaturkritik.de/id/7945)

Man sollte den Wissenschaftlern wieder mehr Vertrauen entgegenbringen – in Krisenzeiten mehr denn je. Dies mag den Populisten und den Klimawandelleugnern mal gesagt sein.

Ich frage mich: Darf man in diesen Zeiten noch Witze machen? Ja, man darf – aber auf keinen Fall über den Holocaust. (https://www.sueddeutsche.de/kultur/interview-humor-coronavirus-joerg-rawel-1.4855006?fbclid=IwAR2S7P8PvKdhNlBe4NhMK2ytsgQUWX5YffOSA4G0bL2x5grwCv3EVDwKCTs)

Günther Jauch, Thomas Gottschalk und Oliver Pocher palavern allerdings auf so peinliche, hilflose und unnötige Weise über ihre Befindlichkeit, dass mir ein wenig übel wird und gleich wieder das Lachen vergeht. (https://www.zeit.de/kultur/film/2020-03/die-quarantaene-wg-rtl-guenther-jauch-thomas-gottschalk-oliver-pocher?utm_content=zeitde_redpost_zon_link_sf&utm_campaign=ref&utm_medium=sm&wt_zmc=sm.int.zonaudev.facebook.ref.zeitde.redpost_zon.link.sf&utm_term=facebook_zonaudev_int&utm_source=facebook_zonaudev_int&fbclid=IwAR2iuKQTlfMQCDJQSumwJQRRceXNwSmVlgfd8Obr2at5zRkBLa7sEyoRCZ0)

Das ist völlig stillos.

Tim Mälzer, unsere Fäkalienwörterfluchendeschnodderwutschnauze der Republik,  und viele andere Hamburger Gastronomen kochen mit ihren Teams umsonst für das Klinikpersonal des UKE. (https://www.stern.de/genuss/tim-maelzer-bekocht-kostenlos-das-klinik-personal-in-hamburg-9194684.html?utm_medium=posting&utm_source=facebook&utm_campaign=stern_fanpage&fbclid=IwAR3I5x5QvbeRwfZ_agYxeckcla92948JMEqYVpZn0rbQ6WV3xbsETYeXq4Q)

Das hat ausgesprochen viel Stil.


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Kassandras Corona – draußen ist es still, im Kopf ist es laut

Eine Studentin zitiert heute in einem anderen Zusammenhang Schopenhauer: „So lange ich bin, ist der Tod nicht, und wenn der Tod ist, bin ich nicht, was gibt es da also zu fürchten?“ Man fürchtet sich trotzdem unablässig zwischen den Zeilen, eine Art bösartiges Dauerpieksen in den Hirnwindungen, das nicht nachlässt.

Gibt es heute Mehl?, ist eine so blöde wie sinnlose Frage, die dem Alltag noch etwas Normalität abzuringen versucht. Ich, die ich seit Jahren mein Brot selbst backe, stehe erstaunt vor den leeren Regalen. Man würde ja ohne Mehl nicht verhungern, aber die Konzentration auf so etwas Banales gibt Vielen gerade Struktur. Mir auch.

Meine Patentochter ist heil und gesund aus Amerika zurückgekehrt, nachdem sie eine Nacht in Amsterdam bei ihrem Cousin verbrachte und nicht wusste, ob überhaupt noch ein Flug nach Berlin geht. Das Foto der befreundeten Familie, die sie am Flughafen in die Arme schließt, steht jetzt auf meinem Schreibtisch.

Meine Tochter hat den Kurzgeschichtenwettbewerb in ihrer Schule gewonnen und der Text geht jetzt in die Landesauswahl. Es gibt zwar in absehbarer Zeit keine Verleihungen, aber man hat doch was zum Lächeln für den Tag.

Der Mann will heute mit dem Fahrrad zu einem weiter weg gelegenen Supermarkt fahren – mit zwei Fahrradtaschen kommt ihm das weniger entwürdigend vor. Wir sind auf die Ausbeute gespannt. Wenig später: kein Mehl.

Eine Freundin, die am Stadtrand wohnt, packt mir vielleicht ein Paket mit Mehl, da gibt es noch welches. In dem Moment, als ich ihr die Bitte um das Paket per WhatssApp schreibe, kommt es mir so absurd vor. Wir sind doch nicht im Krieg, denke ich.

Die Nachrichten rauschen unablässig durch einen hindurch, man schwankt zwischen morbidem Infojunkietum und erschöpfter Ernüchterung, bevor man wieder ins Internet fällt.

Ich gehe eine halbe Stunde hinaus, die Sonne scheint, ich brauche Licht. An die Ausweichmanöver hat man sich schon fast gewöhnt. Im Park hat jemand aus der Nachbarschaft Gedichte der Weltliteratur an die Bäume gehängt. „Da“, sagt ein Kind, „Mama, lies vor.“

Der Chef meines Mannes ist am Virus erkrankt. Irgendwann kennt jeder jemanden, der nicht ausweichen konnte.

Alle halten den Atem an. Man darf nur nicht vergessen, wieder auszuatmen.


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E-Mail mit Stil – 3. Die Schlussformel: Nur in Hamburg sagt man Tschüss

Der elegante Abschied:

  1. Gar keine Schlussformel geht gar nicht.
  2. Haben wir mit „Sehr geehrte/Sehr geehrter …“ gestartet, schließen wir mit „Mit freundlichen Grüßen“. Viele verkürzen diese Formel, und je kürzer sie wird, desto weniger freundlich werden wir – dieses wird der Empfänger selbstverständlich auch bemerken. Beispielsweise „Freundliche Grüße“ ( = Na ja, ich will mal nicht so sein), gefolgt von „Grüße“ ( = Ich bin hier absolut im Stress und habe keine Zeit für Dich) oder gar das absolut unhöfliche und wie ein Ohrfeige wirkende „Gruß“ ( = Ich will eigentlich nichts mit Dir zu tun haben und habe Dir das nur geschrieben, weil der Chef das will; oder, noch schlimmer: Ich finde, Du bist inkompetent und meiner Zuwendung nicht wert). Ebenso beleidigend ist es übrigens, die Schlussformel abzukürzen: BG, LG oder gar das krude MfG.
  3. Haben wir mit „Liebe/Lieber …“ gestartet, ist der Spielraum größer – und es kommt auch darauf an, wie gut man sich schon kennt. Hier reicht die Palette der angemessenen höflichen Formeln von „Mit freundlichen Grüßen“ über „Herzliche Grüße“ oder „Herzlichst“ über „Viele Grüße“. Etwas merkwürdig mutet das neuerdings aufgetauchte und aus dem Englischen übernommene „Beste Grüße“ („With best regards“) an – gleichzeitig zu lässig und überheblich im Deutschen, wie ich finde. Man kann sich auch hier, um etwas kreativer zu sein, wieder mit Tageszeiten oder anderen Bezügen zur eigenen Realität behelfen: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend“ oder, wenn man in Hamburg wohnt, „Viele Grüße von der Alster“ oder montags „Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche“ behelfen. Einer meiner Kunden schreibt als Schlussformel immer „Glück auf!“. Das ist doch wirklich zugewandt und zaubert uns gleich ein Schmunzeln ins Gesicht.

 


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E-Mail mit Stil – 2. Die Anrede: Titel, Thesen, Temperamente oder Hallo, ich liebe dich nicht

„Ich empfinde es als höflich, einen Menschen, der mit mir kommuniziert, mit einem netten Gruß anzusprechen“, schreibt Jan Schaumann, Etikette-Trainer. (http://www.sueddeutsche.de/karriere/umgangsformen-im-buero-e-mail-ohne-anrede-der-chef-darf-das-1.1022713)

Ja, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, scheint für viele Menschen im E-Mail-Austausch keinen Wert zu haben. Von gar keiner Anrede („Im Alltag würde kaum jemand auf die Idee kommen, einen anderen Menschen grußlos anzusprechen, um ihm unmittelbar sein Anliegen mitzuteilen. Insofern sollte es das Mindestmaß an Umgangsformen in der schriftlichen Kommunikation bedeuten, eine Unterhaltung im weitesten Sinne ebenfalls damit zu eröffnen“, so Schaumann) bis zu umständlichen und falschen oder auch überhöflichen Formulierungen reicht die Palette. Deshalb:

      1. Gar keine Anrede geht gar nicht. Das ist absolut schlechtes Benehmen.

 

      1. Sehr geehrte Frau / Sehr geehrter Herr / Sehr geehrte Damen und Herren – ist die Standardformel, wenn wir zum ersten Mal Kontakt zu jemandem aufnehmen. „Lieber förmlich als zu vertraulich – Benutzen Sie die vertraulicheren Anredeformen nur bei Leuten, die Sie (…) gut kennen. Sonst ist die Unsicherheit zu groß, ob diese persönliche Art ankommt oder nicht“, empfiehlt auch Christoph Eichhorn. http://www.x-7.de/links/email-netiquette/richtige-anrede.html

 

      1. Liebe Frau / Lieber Herr – Im weiteren E-Mail-Austausch, wenn man sich „kennengelernt“ hat, ist es durchaus angebracht, einen persönlicheren Ton anzuschlagen. Viele Menschen mögen das „Liebe / Lieber“ aber nicht und führen das Argument an, man würde sich seinen Vorgesetzten, Kollegen oder Geschäftspartner ja nicht inniglich verbunden fühlen. Tatsächlich wird es ein wenig heikel, wenn man zum „Liebe / Lieber“ übergegangen ist – und es kommen eine unangenehme Job-Auseinandersetzung, ein Missverständnis oder gar Fehler, die man im geschäftlichen Austausch gemacht hat, dazwischen. Dann kann der Ton schon einmal frostig werden und von Lieb haben ist keine Rede mehr. Was tun? Vor allem im Intranet, wo sich Kollegen und Kolleginnen, die wir auch täglich in der Kantine, am Drucker oder am Waschbecken der Toilette treffen, per E-Mail austauschen, kann es peinlich werden. Ich rate: entweder nie zum Lieben übergehen und immer das Ehrenwerte wählen, denn hat man sich einmal lieb gehabt, kommt die Rückkehr zur Sachlichkeit nicht gut an. Oder strikt beim Lieben bleiben und den Konflikt alsbald telefonisch oder im persönlichen Gespräch klären.

 

      1. Hallo – Viele Stilratgeber für Geschäftskorrespondenz haben nichts gegen diese lässige Allerweltsbegrüßung. Ich rate dringend ab: „Hallo“ sage ich zu dem Nachbarshund, der die Nacht auf meiner Türmatte verbracht hat, oder mit einem Lächeln zu der Bäckereiverkäuferin, die mir das größte Stück Butterkuchen geben soll. Man sagt es auch zu Bekannten, die man auf der Straße trifft oder zu Freunden, die abends anrufen. In der geschäftlichen Korrespondenz hat es nichts zu suchen, weil wir mit Kollegen, Vorgesetzten, Dienstleistern und Kunden nicht befreundet sind. Denn „Hallo“ vermittelt nur eins: Du bist weder „geehrt“ noch „geliebt“ und ich befinde Dich gerade noch wert, Dich mit einem hilflosen „Ich-weiß-auch-nicht-wie-ich Dich-ansprechen-Soll“ zu beschenken. Da wir sprachlich begabte Wesen sind, bedienen wir und also einiger kreativer und viel passenderer Varianten. Z. B.:

 

      1. Guten Tag, Frau / Herr… oder andere Tageszeiten, zu denen wir gerade die E-Mail schreiben. Eine Variante, die ich gern verwende, ist, schon mit dem Inhaltlichen zu beginnen und in der ersten Zeile den Namen einzuflechten: „Ihr Hund hat wieder meine Türmatte vollgehaart, liebe Frau Meier, …“

 

      1. Damit sind wir schon bei den Namen unserer Adressaten – ganz schlechter Stil ist es, den Namen des Empfängers falsch zu schreiben, das kann durchaus beleidigend wirken, weil man kein echtes Interesse zeigt. Ob die Hundebesitzerin Meier, Maier, Mayer oder gar Meyer geschrieben wird, sollte man also unbedingt vor dem Absenden noch einmal überprüfen.

 

      1. Für viele Menschen undurchschaubar ist auch die Handhabung im Schriftverkehr mit Titeln und akademischen Graden. Für eine Person, die mehr als einen Titel hat wird nur der höchste Titel genutzt. Professorin Dr. vet. Meier wird mit „Sehr geehrte Frau Professorin“ angeschrieben. Bei der Anrede von mehreren Personen muss die Hierarchie beachtet werden. Genannt wird immer zuerst der/die Ranghöhere: „Sehr geehrte Frau Professorin Meier, sehr geehrte Frau Dr. Müller…“ Sind beide gleichgestellt, wird zuerst die Frau erwähnt. (http://www.knigge.de/themen/kommunikation/briefe-11616.htm) Grundsätzlich gilt: Für die korrekte Anrede spielen heute nur noch die akademischen Grade und Adelstitel eine Rolle. Berufs- und Funktionsbezeichnungen können wir weglassen.

 

 

 

 

 

 


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E-Mail mit Stil: 1. Die Betreffzeile – Übergewicht ist ungesund

Manche Leute meinen, dass sie jedwede Information gleich in die Betreffzeile pressen müssen, weil sie fürchten, man lese die eigentliche Mail erst gar nicht. Oft finden wir dieses Vorgehen in unserem Spam-Ordner, oder wenn jemand uns zum ersten Mal kontaktiert. Dieses „Alles-rein-was-geht“ ist nicht nur kontraproduktiv (meist löschen wir diese Mails tatsächlich sofort), sondern auch stillos und unhöflich. Haben wir ein seriöses Anliegen, schreiben wir das Wesentliche in maximal drei bis vier Schlagwörtern in die Betreffzeile und vertiefen unser Begehren in „italienischer Länge“ (S. Kapitel 7).

Ein Beispiel aus dem Lektoratsbüro: Ein Autor, dessen Roman ich zur Hälfte durchgearbeitet hatte, konnte es vor lauter Neugierde und Nervosität nicht mehr aushalten und wollte unbedingt wissen, wie meine Einschätzung seines Manuskripts ausfällt. Ich hatte aber im Vorgespräch ganz deutlich gemacht, dass er sich gedulden müsse, bis ich die letzte Seite lektoriert hätte – sonst könne ich gar kein umfassendes Urteil abgeben.

Die Betreffzeile seiner Verzweiflungsmail sah so aus:

„Hilfe! Ich bin so neugierig, ich kann nicht schlafen, können Sie mir bitte etwas zu meinem Roman sagen, vor allem zum 7. Kapitel, das war doch noch so unausgereift …“

Natürlich brach der Text ab, denn die Betreffzeile bietet nun einmal wenig Raum. Im eigentlichen Textfeld stand – nichts. Nicht einmal eine freundliche Anrede oder eine vertiefende Analyse seiner Missstimmung. So etwas forciert schlechte Stimmung beim Empfänger, und die Antwort wird höchstwahrscheinlich ziemlich unwirsch ausfallen.

Ausrufungszeichen, Inversalien und Emoticons haben in der Betreffzeile absolut nichts zu suchen, denn wer den Empfänger anbrüllt, muss damit rechnen, gleich aus dem Verteiler gelöscht zu werden.

Eine wirklich schöne Haltung zur Betreffzeile hat Heike Thormann

(http://www.kreativesdenken.com/artikel/e-mails-schreiben.html):

„Wenn Sie wollen, dass Ihre E-Mail ungelesen gelöscht wird, dann verzichten Sie auf die Betreffzeile oder füllen Sie sie mit Schlagworten wie „wichtig, neu, aktuell, hot.“ Oder man macht es so wie mein verzweifelter Autor. Und weiter schreibt sie: „Der Betreff entscheidet, ob ich eine E-Mail lese oder nicht. Der Betreff entscheidet, ob ich eine E-Mail wiederfinde oder nicht. Der Betreff entscheidet, ob ich eine E-Mail lösche oder nicht. Alles andere ist Notwehr.“

Thormanns Haltung zur Rechtschreibung ist allerdings denkwürdig: „Wenn Sie mit der NDR (neuen deutschen Rechtschreibung) auf Kriegsfuß stehen, dann verwenden Sie die alte ( … ). Aber verwenden Sie eine.“

So geht das natürlich nicht.


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E-Mail mit Stil

Jeden Tag bekommen wir nicht nur unfassbar viele Mails – die meisten davon müssen wir auch beantworten. Mails zu lesen und sich oft über ungenaue Angaben in der Betreffzeile, unfreundliche oder unpassende Anreden oder Schlussformeln, fehlerhafte oder nicht vorhandene Kontaktdaten, unleserliches Schriftbild oder zuhauf Orthografie- und Grammatikfehler zu ärgern, ist die eine Sache. Es aber selbst besser zu machen, ist eine andere.

Man kann sich natürlich einfach den entsprechenden Duden-Band zur Geschäftskorrespondenz anschaffen und sich intensiv mit der DIN 5008, die die Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung festlegt, beschäftigen. Aber wer hat schon Zeit dafür? In den folgenden Wochen wird sich die Sprach- und Stilkritik deshalb diesen Themen widmen:

  1. Die Betreffzeile – Übergewicht ist ungesund
  2. Die Anrede: Titel, Thesen, Temperamente oder Hallo, ich liebe dich nicht
  3. Die Grußformel: Nur in Hamburg sagt man Tschüss

 


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„Dieser Moment ist zu groß für den einzelnen Menschen“ … (Finale, Bewertung und Danksagung) – WM-Sprach- und Stilkritik zum 3. Juli 2014

… so Tom Bartels nach dem Tor von Mario Götze, dem „Erlöser“. Auch wenn er Sätze wie „Die Kabine, der innere Ort der Einkehr, ist verlassen.“  (statt „der Ort der inneren Einkehr“) oder „Es ist eine Nervenschlacht“ (Ich sehe hier niedliche Nervenfasern an Kanonen hantieren) absonderte, muss ich wider meine gestrige Befürchtung einräumen, dass er das WM-Finale fast durchgängig anständig reportierte. Besonders gut gelungen ist Bartels diese Sequenz in der 77. Minute, als Lionel Messi sich unerbittlich durch die deutsche Defensive wurschtelte:

„Haltet ihn! … Vorbei an Hummels! … Aber nicht an Höwedes, nicht an Höwedes!“ und:

„Özil gegen … und gegen … und gegen … Özil gegen alle.“

Nun die abschließende Sprach- und Stilkritik-Bewertungstabelle.

(Die Paarung Beckmann-Elber habe ich nur einmal genießen dürfen und sie als tranig und reizlos erlebt. Deshalb fällt sie aus der Wertung heraus. Florian Naß durfte meines Wissens ein mitternächtliches Spiel reportieren. Da habe ich aber ausnahmsweise geschlafen. In die Tabelle nicht eingeflossen ist das Kriterium „fußballerischer Sachverstand“ – da ich ihn selbst nicht habe, kann ich ihn bei anderen auch nicht bewerten.)

Außerdem:

  • lustigster Dress: Kroatien
  • peinlichster Dress: England
  • bester Dress: Uruguay
  • schönster Fußballer: Edinson Cavani, nicht Mats Hummels (denn einfältige Freundinnen schmälern die Attraktivität eines jeden Mannes)
  • beste Frisur: Marouane Fellaini
  • Eckfahnenheld: Mathieu Valbuena
  • grauenhafteste „bunte“ WM-Begleitung: der WM-Club

 

Danksagung:

Dieser Blog wäre nicht zustande gekommen ohne den enthusiastischen Antrieb von Marco „Marca“ Maas und meines „Glöckchens“. Danke für´s Mutmachen, Ihr Lieben. Danke auch an den Blogstraßenheld Daniel Fiene, der mich mit einer Claudia verwechselte, obwohl er „corinna.cc“ sicher schon hundert Mal gelesen und getippt hatte.

Ein großer Dank geht an Tarun Biswas, der so schöne Bilder schickte.

Den Mitbewohnerinnen des Höllenlagers danke ich von Herzen, weil sie so gelassen mein Gebrabbel über Fußball ertragen, bei der Recherchearbeit geholfen und mir sehr oft Kaffee gebracht haben. Ich gelobe, mindestens 2 Jahre das Wort „Fußball“ nicht mehr zu benutzen.

Und natürlich danke ich meinem Liebslingsnerd, der begeistert mein neues Projekt unterstützt, mit soziologischen Überlegungen angereichert und den besten Spruch der WM gesagt hat: „Boateng ist eine Schlampe.“


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Das Offenbarsiche – WM-Sprach- und Stilkritik zum 9.7.2014

Gerhard Delling bringt es in einer Reportage aus Campo Bahia, wo wir den glücklichen Spielern der deutschen Nationalmannschaft dabei zuschauen können, wie sie ihre Freundinnen am Strand küssen, allen voran Mats Hummels (ganz Abgebrühte mögen die hochintelligenten Kolumnen Frau Fischers unterhaltsam finden: http://www.bild.de/sport/fussball/wm-2014/wir-werden-die-party-unseres-lebens-feiern-36716222.bild.html) auf den Punkt: „Das war offenbarsich entspannend.“ Ist das nicht eine exzeptionelle Verknüpfung aus offenbar und offensichtlich? Zudem es „zwischen offenbar und offensichtlich … keinen Bedeutungsunterschied (gibt). Es ist allerdings nicht richtig, diese Adjektive im Sinne von „vermutlich“ oder „möglicherweise“ zu gebrauchen. Denn was offenbar, offensichtlich oder auch offenkundig ist, das liegt auf der Hand, ist augenscheinlich, erwiesen, erkennbar, nachweislich.“ (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-abc-offenbar-offensichtlich-a-314565.html)

Gern werden in Berichterstattung und Moderation rund um die WM auch „anscheinend“ und „scheinbar“ verwechselt. Dabei wird „mit anscheinend die Vermutung zum Ausdruck gebracht, dass etwas so ist, wie es erscheint. Hingegen besagt scheinbar, dass etwas nur so scheint, aber nicht wirklich so ist.“( http://www.korrekturen.de/beliebte_fehler/scheinbar_anscheinend.shtml)

Wird Deutschland nun scheinbar, anscheinend oder offbarsich Weltmeister?